Die Frage, wieso es Frauen in Deutschland kaum an die Unternehmensspitze schaffen, beschäftigt mich nun gut 30 Jahre und ich hätte Anfang der 90er nicht im Traum daran gedacht, dass es 2018 immer noch der Fall sein wird. Meine Position war lange, dass es nur eine Frage der Zeit sei, bis weibliche Führungskräfte auch ganz oben in den Dax-Vorständen ankommen würden. Heute wissen wir längst: Aus Einstieg lässt sich nicht automatisch Aufstieg ableiten. Die Hürde für Frauen ist nicht das Reinkommen, die Hürde ist das Hochkommen.
Die gute Nachricht: Frauen haben enorm an Qualifikation aufgeholt. Noch nie gab es so viel weibliches Potenzial und Personal in der Pipeline. Die schlechte: Mit jeder Hierarchiestufe nimmt der Anteil von Frauen in Führungspositionen weiter ab und der Schritt ins Topmanagement ist nach wie vor der schwierigste.
Wo bleiben Germany’s next Topmanagerinnen?
Was die Aufstiegschancen von Frauen im Management schmälert, dazu ist unendlich viel geforscht und ganze Bibliotheken geschrieben worden. In der Quintessenz sind es drei Haupthürden, die Frauen das Organisationsleben schwer oder zumindest schwerer als Männern machen.

- Erstens männlich geprägte Macht- und Managementstrukturen, die inoffiziellen Spielregeln und Beförderungsmechanismen im sogenannten ‘inner circle’, in dem Frauen immer noch fehlen. Dieses Fehlen hat dann zur Folge, dass man Frauen gar nicht auf dem Schirm hat, wenn die Beförderungsspiele laufen. Meistens grenzen Männer Frauen nicht bewusst aus, sondern es sind vielmehr die eingefahrenen Denk- und Verhaltensweisen, die Vorstellung darüber, wie ein Chef sein sollte. Stichwort: unconscious bias – unbewusste Voreingenommenheit. Diese aufzubrechen, da setzen derzeit viele Großunternehmen an. Natürlich werden wir diese jahrzehntelang geprägten Vorurteile nicht einfach mit einem Training aus den Köpfen kriegen, entscheidend ist, die Rekrutierungs- und Beförderungsprozesse so zu verändern und zu gestalten, dass sie dort eliminiert werden.
- Zweitens die Vereinbarkeit beziehungsweise Unvereinbarkeit von Kind und Karriere. Frauen tragen hier immer noch den Löwenanteil der Mehrfachbelastung. Patentrezepte gibt es nicht, aber Augen auf bei der Partnerwahl.
- Und drittens: frauentypische Bremsen und Blockaden wie zu wenig Selbstmarketing und Sichtbarkeit in strategischen Netzwerken. Frauen fühlen sich wohl, wenn sie in ihrem Fachgebiet agieren können, dabei geraten ihnen diese Faktoren oftmals aus dem Blickfeld. Auftreten, Image und der Ruf, der einem vorauseilt, spielen für den Karrierefortschritt jedoch eine wesentliche Rolle. Ebenso Beziehungen, Bekanntheit, Befürworter.
Was aufstiegskompetente Frauen anders machen
Fehlende Fach- und Führungskompetenz ist bei Frauen selten der Punkt, es mangelt eher an Aufstiegskompetenz. Je höher man hinaus will, umso mehr Leute sind an der Besetzungsentscheidung beteiligt und umso wichtiger ist es, sich eine Lobby im Unter-nehmen und außerhalb aufzubauen. Zudem wachsen die Anforderungen an Selbstpräsentation und Relationship-Kompetenzen mit jeder weiteren Karrierestufe. Aufstiegskompetente Frauen wissen das. Ihre Erfolgsgeheimnisse:
#1 Kommunizieren Sie Ihre Karrierevorstellungen
Wenn Sie Karriereambitionen haben und vorwärtskommen wollen, dann müssen Sie das auch aussprechen und nicht mit Dornröschenverhalten darauf hoffen, entdeckt zu werden. Besonders als Frau muss man deutlich sagen, was man sich als Nächstes vorstellt, sonst gehen Männer unbewusst (da ist es wieder das Bias-Ding), davon aus, sie wollen gar nicht weiterkommen, sonst würden sie das doch sagen und an der Tür kratzen. Die Maßstäbe im Management sind immer noch männlich.
#2 Laufen Sie mutig los
Karrierekönnen liegt auch darin, Erfolgschancen nicht ungenutzt vorübergehen zu lassen. Der Sprung ins kalte Wasser gehört zu jeder Karriere. Die Komfortzone regelmäßig verlassen und auch mal Dinge tun, die unbequem oder eine Nummer zu groß sind. Man muss nicht schon in allen Themen sattelfest sein, in die meisten Aufgaben wächst man hinein. Gerade das Meistern von „hot jobs“ verschafft Sichtbarkeit und bringt sie in die Köpfe von Entscheidern.
#3 Haben Sie keine Scheu vor Selbstmarketing
Karriere braucht die Kompetenz, die eigene Kompetenz auch darstellen zu können. Zahlreiche Studien belegen immer wieder: Frauen hegen signifikant höhere Selbst- und Kompetenzzweifel als Männer, weisen lieber auf ihre Defizite hin statt auf ihre Stärken. Während Männer einfach mal eine Zahl sagen und über Zweifel hinwegbluffen, setzen Frauen zu einseitig auf Qualifikation, arbeiten fleißig vor sich hin und scheuen sich davor, ihre Qualitäten und Erfolge in der Unternehmensöffentlichkeit zu verkaufen. Dabei wird die positive Selbstpräsentation in Gruppen und Gremien umso wichtiger, je höher sie kommen wollen. Nehmen Sie sich regelmäßig Zeit fürs Selbstmarketing, bereiten Sie Meetings vor, machen Sie gute Ergebnisse und spannende Themen sichtbar und punkten Sie mit positiven Statements an verschiedenen Kontaktpunkten. Oft sind es auch die vermeintlichen Kleinigkeiten, die sich karriereförderlich verkaufen lassen.
#4 Verbinden und verbünden Sie sich
Tappen Sie nicht in die Networking-Falle „keine Zeit“. Netzwerken ist auch Arbeit. Kontakte, Netzwerke sind Multiplikatoren Ihres Könnens und Ihrer Leistung. Ein breiter Kreis vielfältiger Kontakte innerhalb und außerhalb der Organisation erhöht die Reichweite und sorgt dafür, dass Sie von Entscheidungsträgern wahrgenommen werden. Worauf es beim Netzwerken ankommt: auf Vielfalt, positiv über andere zu reden, auf Geben und Nehmen. Männer schustern sich vielmehr Infos, Projekte, Jobs zu. Viele Frauen denken, sie wollen nicht aufsteigen, weil sie jemanden kennen, sondern weil sie gut sind. Ein Irrglaube, denn wenn sie gut sind und niemand davon weiß, dann haben sie ein Problem. Investieren Sie regelmäßig Extrazeit!
#5 Bleiben Sie am Ball
Blitzkarrieren sind selten – auch bei Männern. Je höher Sie kommen, desto dünner wird die Luft. Karriere ist immer auch von Absagen, Ablehnung, Rückschlägen und Umwegen bedroht. Wenn es an der Vordertür nicht klappt, kratzen Sie an der Hintertür oder versuchen Sie es an Nebeneingängen. Auch andere Häuser haben schöne Türen. Ein zweiter oder dritter Anlauf ist doch keine Schande, sondern demonstriert Durchhaltevermögen. Schnurgerade Karrieren gibt es nicht, Karrieremachen hat viel mit Dranbleiben zu tun. Sometimes you win, sometimes you learn.