Es klingt wie ein Scherz: Vermieter sollen künftig die Klingelschilder an Mietwohnungen abmontieren – sonst verstoßen sie gegen die neue Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO). Hintergrund für diese Meldung ist jedoch ein realer Fall aus Wien. Dort hatte sich ein Mieter über mangelnden Datenschutz beschwert, weil jeder seinen Namen auf der Klingel lesen konnte, und auf die DSGVO verwiesen, die seit Ende Mai EU-weit in Kraft ist. Die österreichische Hausverwaltung Wiener Wohnen gab daraufhin bekannt, bei 220.000 Wohnungen nach und nach die Namensschilder gegen Nummern auszutauschen.
Der Fall aus Wien sorgte kürzlich europaweit für Aufsehen unter Vermietern. Der Eigentümerverband Haus und Grund, Deutschlands größter Verein für private Eigentümer, rief seine rund 90.000 Mitglieder ebenfalls dazu auf, die Klingelschilder an ihren Mietshäusern zu entfernen. Stattdessen sollen Vermieter künftig Nummern oder Symbole verwenden, um keine Strafen zu riskieren. „Wir haben es mit europäischem Recht zu tun. Deshalb müssen wir davon ausgehen, dass dies auch in Deutschland Konsequenzen hat“, begründete Verbandspräsident Kai Warnecke die Empfehlung.
Die Warnung der Eigentümer-Lobby zeigt, wie groß die Unsicherheit beim Thema Datenschutz auch ein halbes Jahr nach Inkrafttreten der DSGVO noch ist. Spätestens seit Mai fragen sich Vermieter in ganz Europa, welche Mieter-Daten sie überhaupt noch erheben dürfen.
Datenschutz beginnt vor dem Mietverhältnis
„Vereinfacht kann man sich merken, dass mit Ausnahme rein familiärer Datenverarbeitungen jede Tätigkeit unter die Datenschutz-Grundverordnung fällt“, erklärt Rechtsanwältin Lana Dachlauer-Baron, die bei der Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft Rödl & Partner für Datenschutz und Mietrecht zuständig ist. Für Vermieter heißt das: Sie müssen bei sämtlichen Prozessen, bei denen sie in Kontakt mit Daten von Dritten kommen, prüfen, ob sie vielleicht gegen die DSGVO verstoßen.
Der Datenschutz beginnt dabei noch vor dem eigentlichen Mietverhältnis – und zwar bei der Frage, welche Informationen Vermieter über potenzielle Mieter überhaupt einholen dürfen. Beim ersten Kontakt „muss dem Vermieter ein grober Steckbrief reichen“, sagt Dachlauer-Baron. Heißt: Er kann keine detaillierten Angaben zum aktuellen Gehalt verlangen und auch nicht erwarten, dass Interessenten einer Schufa-Auskunft als Eintrittskarte für die Wohnungsbesichtigungen zustimmen. Will ein Vermieter zu einem so frühen Zeitpunkt schon derart sensible Informationen von Interessenten haben, muss er dafür ihre schriftliche Einwilligung einholen.
Mehr Möglichkeiten haben Vermieter, sobald es konkreter wird – etwa bei der Wohnungsbesichtigung. Dabei lassen viele Eigentümer Interessenten eine sogenannte „freiwillige Selbstauskunft“ ausfüllen. Das ist grundsätzlich auch weiterhin erlaubt, sagt Expertin Dachlauer-Baron. Allerdings darf der Vermieter darin nicht alles abfragen. Er muss stets ein „berechtigtes Interesse“ an den gesammelten Informationen haben. Was das im Einzelnen heißt, ist nicht immer eindeutig. So hat der Vermieter etwa vor Vertragsunterzeichnung ein berechtigtes Interesse daran, zu erfahren, ob sein künftiger Mieter pünktlich die Miete zahlen kann, ob er Haustiere besitzt oder ein Musikinstrument spielt. Fragen zum Familienstand muss der Mieter dagegen nicht zwangsläufig beantworten. Angehörige wie Ehepartner oder Kinder dürfen auch ohne Erlaubnis mit dem Mieter einziehen.
Hat sich der Vermieter schließlich für einen Mieter entschieden, hat dessen Selbstauskunft ihren Zweck erfüllt. „Die gesammelten Daten müssen dann sofort vernichtet werden“, betont die Rechtsanwältin. Eigentümer sollten sich streng an diese Vorschrift halten. Holen sie eine Selbstauskunft ohne datenschutzrechtliche Grundlage ein, drohen hohe Bußgelder und Schadensersatzforderungen.
Beim Thema Klingelschilder können Vermieter übrigens aufatmen. „Das Ausstatten der Klingelschilder mit Namen für sich genommen stellt weder eine automatisierte Verarbeitung noch eine tatsächliche oder beabsichtigte Speicherung in Dateisystemen dar“, stellte die Bundesdatenschutzbeauftragte Andrea Voßhoff jüngst klar. Damit fallen Klingelschilder also nicht unter die DSGVO. Vermieter können die Namen ihrer Mieter also auch künftig auf des Klingelschild drucken – sogar wenn die das gar nicht wollen.