Als Esma und Salih Toptas sich entschieden, in ihrer Heimatstadt Erbach für sich und Tochter Mira ein Eigenheim zu bauen, stand schnell fest, es soll ein Fertighaus sein. Ein wichtiges Argument für die Bauherren: die kurze Bauzeit. Als der Bautrupp Ende März im Odenwald anrückte, standen Innen- und Außenwände der Stadtvilla in nur zwei Tagen, am dritten Tag war das Dach dicht. „Gegenüber einem Massivhaus haben wir sogar noch etwas gespart“, sagt Salih Toptas. Rund 370.000 Euro kostet das Haus der Marke Okal mit 165 Quadratmetern schlüsselfertig.
Nach einem Nachfrageeinbruch erfreuen sich Fertighäuser wieder großer Beliebtheit. Jedes fünfte Eigenheim wird hierzulande aus vorgefertigten Teilen errichtet. Während die Zahl der Baugenehmigungen aller Ein- und Zweifamilienhäuser 2017 insgesamt um 4,7 Prozent auf 102.000 sank, wurden 5,5 Prozent mehr Fertighäuser genehmigt: gut 20.000. „Die meisten Hersteller arbeiten an der Kapazitätsgrenze“, sagt Achim Hannott, Geschäftsführer des Bundesverbands Deutscher Fertigbau (BDF).
Die Vorbereitung
„Einen Bauplatz zu finden ist heute oft der schwierigste Teil des Hauskaufs“, sagt Andreas Speer, Geschäftsführer von Eigenheim und Garten, einem Betreiber von Musterhausausstellungen. Viele Anbieter helfen Interessenten bei der Suche nach einer geeigneten Fläche. Auch Familie Toptas ließ sich mehrere Bauplätze zeigen.
Der Bebauungsplan der Kommune schränkt die Auswahl der möglichen Haustypen zwar ein (Anzahl der Etagen, Geschossflächen, Dachformen), dennoch bleibt eine Vielzahl an Modellen übrig. Mehr als 60 größere Hersteller sind in Deutschland am Markt, manche bieten Dutzende Grundtypen mit einem Vielfachen an Varianten und Optionen an, sodass Interessenten schnell den Überblick verlieren.
Speer empfiehlt Bauwilligen, zunächst eine Liste aufzustellen mit allen Punkten, die das neue Haus erfüllen sollte. Auch einen realistischen Finanzrahmen sollten sie frühzeitig abstecken. Als nächster Schritt ist der Besuch einer Musterhausausstellung (Adressen unter tinyurl.com/hausausstellungen ) ratsam. Berater der Hersteller erklären vor Ort die Haustypen und informieren über Alternativen. Manche Firmen bieten sogar eine gemeinsame Besichtigung des Baugrundstücks an. Vor Ort lässt sich beispielsweise leichter klären, ob der Bau eines Kellers sinnvoll ist – oder eine Bodenplatte die bessere Option darstellt.
Die Auswahl
Nur selten ist eine Fertigimmobilie ein „Haus von der Stange“. Rund zwei Drittel aller Fertighäuser werden laut BDF frei geplant. Je nach Preisklasse lassen sich Grundrisse und Ausstattungen in unterschiedlichem Maße verändern. Hochpreisige Anbieter wie etwa Huf Haus entwerfen das Gebäude grundsätzlich individuell. Auch Familie Toptas in Erbach hatte Sonderwünsche: die Verlegung des Eingangs in den Keller – weil das Haus auf einem Hanggrundstück steht – und separate Ankleidebereiche für Schlaf- und Kinderzimmer.
Doch wo lässt sich sparen? Einige Anbieter verkaufen sogenannte Ausbauhäuser, bei denen der Kunde den Innenausbau in Eigenregie übernimmt. Käufer sollten die eigenen handwerklichen Fähigkeiten und ihr Zeitbudget allerdings realistisch einschätzen. Wer selbst Handwerker beauftragt, muss frühzeitig Angebote einholen und Termine vereinbaren. Familie Toptas entschied sich für eine Zwischenvariante: Verwandte übernehmen den Ausbau des „malerfertig“ übergebenen Hauses.
Immer mehr Käufer wählen jedoch ein schlüsselfertiges Objekt. Die Hersteller arbeiten bundesweit mit Handwerksbetrieben zusammen, die Kabel installieren, Teppich verlegen, Bäder einbauen. Vorteil für den Käufer: Die Firmen kennen sich häufig mit dem Haustyp aus. Zudem übernimmt ein einziger Vertragspartner die Gewährleistung für alle Arbeiten. Wer sich für die Komplett-Variante entscheidet, sucht Fliesen, Armaturen und Bodenbeläge meist im Bemusterungszentrum des jeweiligen Fertighausherstellers aus. Je disziplinierter sich Bauherren an ihre ursprüngliche Liste halten, desto geringer die Gefahr, das ursprünglich festgelegte Budget zu sprengen.
Die Qualität
Die meisten Fertighäuser (85 Prozent) bestehen aus einer Holzrahmenkonstruktion, die mit Dämmwolle gefüllt und anschließend mit Gipsbauplatten verschlossen wird. Außenwände erhalten vor dem Transport eine Putzschicht und werden mit Fenstern sowie Rollläden bestückt. Je nach Ausbaustandard werden auch Vorbereitungen für die Installation von Elektrokabeln, Heizungs- und Wasserrohren getroffen.
„Grundsätzlich ist ein Fertighaus nicht weniger haltbar als ein konventionelles Haus – gute Pflege vorausgesetzt“, sagt Hermann Wüst, Mitglied des Vorstands der Deutschen Fertighaus Holding (DFH), die mit den Marken Allkauf, Massa und Okal Marktführer in Deutschland ist.
Viele Produzenten haben sich der Qualitätsgemeinschaft Deutscher Fertigbau (QDF) angeschlossen, die verbindliche Anforderungen an die Güte der Häuser definiert hat. „Vor allem Baugesundheit und Ökologie haben an Bedeutung gewonnen“, sagt Peter Bachmann, Geschäftsführer des Sentinel Haus Instituts, das Fertighaushersteller zertifiziert. Der BDF verpflichtet Mitglieder, regelmäßig die Raumluft in neuen Haustypen zu testen, die Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) vergibt ein Zertifikat für besonders ressourcenschonende Gebäude.
Fertighäuser werden wie konventionelle Gebäude in verschiedene KfW-Effizienzhaus-Niveaus eingeordnet, von der Stufe 55 bis hin zum Effizienzhaus Plus. Diese Häuser erzeugen selbst Energie, etwa durch Solarthermie oder Erdwärmespeicher.
Der Vertrag
Auch Fertighaushersteller unterliegen dem neuen Baurecht, das Anfang 2018 in Kraft getreten ist. Viele Unternehmen haben ihre Vertragsunterlagen noch nicht an das neue Baurecht angepasst, im Streitfall können sich Verbraucher jedoch in den wesentlichen Punkten auf geltendes Recht berufen, so Marc Kühl, Fachanwalt für Baurecht bei der KPMG Law Rechtsanwaltsgesellschaft: „Der Vertrag ist wichtig, das Gesetz ist wichtiger.“
Besonders kundenfreundliche Unternehmen gehen über die gesetzlichen Vorschriften hinaus und bieten eine Gewährleistungsbürgschaft an. Sie stellt sicher, dass nach Abnahme des Hauses eine finanzielle Sicherheit für eventuelle Schäden vorhanden ist. Auch eine – ebenfalls nicht vorgeschriebene – Bauherrenhaftpflicht-, Feuer- und Rohbauversicherung sowie eine Bauleistungspolice sollten eingeschlossen sein.
Kühl empfiehlt, einen Vertrag nie unter Zeitdruck zu unterzeichnen und Änderungen vorformulierter Passagen bei Unstimmigkeiten stets mithilfe eines Anwalts zu verhandeln. Falls die Zweifel später kommen: Der Vertrag lässt sich 14 Tage nach Abschluss kostenfrei kündigen. Für Familie Toptas war dies kein Thema. Sie fiebert jetzt dem Einzugstermin entgegen.