Millionen Deutsche träumen den Traum vom Eigenheim, viele von ihnen wenden sich dafür an Projektentwickler. Diese kümmern sich von Planung bis Bau um alle Einzelheiten. Eigentlich ein guter Deal. Doch in der aktuellen Immobilienkrise wanken nun sogar Riesen der Branche, für viele Käufer droht die Wunschimmobilie zum Alptraum zu werden. Tausende Vertragspartner bangen um Milliarden von Euro, die sie als Vorschuss an ihre Bauträger überwiesen haben.
Zuletzt meldete Project Immobilien Insolvenz an, auf der Website heißt es seit letzter Woche: „Aufgrund (drohender) Zahlungsunfähigkeit war es in dieser Situation unsere unternehmerische Pflicht.“ Gegenwärtig fehle nach Unternehmensangaben ein niedriger zweistelliger Millionenbetrag als akuter Liquiditätsbedarf. Insgesamt seien 118 Projekte und 1850 Wohnungen betroffen.
Der Nürnberger Baurechtsanwalt Werner Beyer verweist darauf, dass die Branche „sehr intransparent“ sei. Als Vertragspartner merke man meist erst zu spät, dass etwas falsch laufe. „Ein Anzeichen ist zum Beispiel, wenn der Rohbauer zu uns kommt und sagt, der Bauträger bezahlt ihn nicht“, so Beyer. „Der Käufer bekommt davon aber nichts mit.“ Der Experte rät daher im Moment auch eher zur Vorsicht bei Vertragsabschlüssen: „Ich würde aktuell eher abwarten. Die Firmen informieren ihre Vertragspartner einfach nicht über etwaige Liquiditätsprobleme.“
Insolvenzwelle rollt erst an
Neben Project Immobilien mussten zuletzt auch Development Partner und Euroboden Insolvenz anmelden. Deren Kunden waren ebenso überrascht. Und ein weiterer großer Projektentwickler schwankt seit Langem: die Adler Group, die vor allem in Berlin aktiv ist. Adler startete Bauprojekte, veräußerte die Wohnungen – und dann folgte oft eine langanhaltende Phase der Inaktivität. Dieses Muster ist mittlerweile charakteristisch für die Vorgehensweise des Unternehmens, sei es in Berlin, Hamburg oder am Kaiserlei-Kreisel in Offenbach. Adler steht inzwischen im Visier von Staatsanwaltschaften, dem Bundeskriminalamt sowie der Finanzaufsicht Bafin.
Als das Nürnberger Unternehmen Project Immobilien am 10. August Insolvenz anmeldete, waren seine Vertragspartner noch ahnungslos. Erst Tage später erhielten sie eine Nachricht vom Insolvenzverwalter: „Für jedes einzelne Projekt müssen jetzt der Bautenstand, der Abrechnungsstand, offene Verbindlichkeiten und der Finanzbedarf ermittelt werden.“ Darauf wollen manche Bauherren aber nicht warten. Einige von ihnen haben sich nun offenbar zusammengeschlossen, um die Projekte auf eigene Faust abzuschließen – mit eigenem Geld und teils eigener Arbeitskraft. Denn: Ihre Verträge aufzulösen scheint schwieriger. „Man kann im Leben alles kündigen, nur anscheinend einen Bauträgervertrag nicht“, kommentiert eine Bauherrin gegenüber dem Hessischen Rundfunk.
Anwalt Beyer spricht von einer regelrechten Gesetzeslücke. „Das Bauvertragsrecht bietet den Käufern keine Option, sich aus ins Stocken geratenen Bauprojekten zurückzuziehen.“ Dadurch könne jedoch auch ein beträchtlicher Anreiz für Unternehmen entstehen, eventuell zweckentfremdete Gelder von Käufern einzusetzen oder Wohnungen nicht termingerecht fertigzustellen.
Auch Fachpolitiker und Experten mahnen: Die aktuelle Gesetzeslage schütze Wohnungskäufer und Hausbauer nicht, wenn ihre Bauträger nicht liefern. Schon seit Jahren wird deshalb über eine Reform diskutiert, aber ein aus Zeiten der Großen Koalition stammender Entwurf für eine Gesetzesänderung liegt noch immer im Bundesjustizministerium.
Wie können sich Bauherren schützen?
Wer also aktuell auf einem Projektentwickler zählt, sollte misstrauisch sein – und bei kleinsten Anzeichen lieber die Reißleine ziehen. Beyer warnt: „Nehme ich als Vertragspartner eines Projektentwicklers solche Gerüchte wahr, habe ich eigentlich schon keine Handlungsmöglichkeit mehr. Ich bin an den Vertrag gebunden.“
Als Käufer zahlt man die Immobilie in Raten, die abhängig sind von einem gewissen Bautenstand: „Erst ist es nur ein Rohbau, dann kommt das Dach drauf, dann die Fenster rein, dann die Leitungen.“ Immer, wenn eine Phase abgeschlossen ist und die nächste Rate fällig wird, so rät der Baurechtsanwalt, sollte man sich davon überzeugen, dass der jeweilige Bautenstand auch wirklich erreicht ist. „Es gab und gibt immer wieder Bauträger, die Raten fällig stellen, die noch gar nicht fällig sind.“ Beyer empfiehlt deshalb, einen externen Fachmann hinzuzuziehen. Das könne ein Architekt, Bauingenieur oder Bausachverständiger sein. Sollte dieser dann gravierende Mängel am Objekt feststellen, kann man sein Rückbehaltungsrecht geltend machen, die geforderte Rate also verweigern.
Dieses Geld kann dem Projektentwickler dann an anderer Stelle fehlen, was zu weiteren Mängeln und verweigerten Raten führen könnte. Mehren sich solche Fälle, könnte das eine Lawine lostreten. „Das Rad muss ständig gedreht werden, ständig muss ein neues Projekt aufgelegt werden, das dann in einem bis drei Jahren realisiert werden muss“, so Beyer.
Diese Rechte haben Bauherren
Die Rechtsposition könne aber durchaus zugunsten der Bauherren liegen: Theoretisch wären sie berechtigt, entweder die Aufhebung des Vertrags und die Rückerstattung ihres Geldes zu verlangen oder die einwandfreie Fertigstellung einzufordern. Dies kann sich jedoch schwierig gestalten. In der Praxis ist es oft so, dass die bereits gezahlten Beträge, die abhängig vom Baufortschritt sind, nicht zurückerstattet werden können. Dies liegt daran, dass die Insolvenzmasse häufig erschöpft ist und alle Mittel aufgebraucht wurden. Zudem ist es aufgrund der erheblichen Preisanstiege unwahrscheinlich, dass ein Insolvenzverwalter einfach den Bau fortsetzt.
Gerade bei größeren Projekten arbeiten Entwickler oft mit wenig Eigenkapital und viel Fremdkapital in Form von Bankkrediten, die inzwischen wesentlich teurer sind als bei der Planung. Dasselbe gilt für die Bau- und Materialkosten, die seit Corona und erst recht seit dem Krieg in der Ukraine sprunghaft gestiegen sind. „Diese Risiken und das allgemeine Fertigstellungsrisiko lassen sich in Deutschland nicht ausreichend absichern“, so Beyer. „Eine Möglichkeit wäre eine Fertigstellungsbürgschaft einer Bank. Aber da macht keine mit.“