Der anhaltende Trend zum hybriden Arbeiten vom Büro und von zu Hause könnte in den kommenden Jahren zu einem massiven Wertverlust bei Gewerbeimmobilien rund um den Globus führen. Laut einer Studie des McKinsey Global Institute drohen den Eigentümern der Hochhäuser in dengrößten Metropolen der Welt bis 2030 wegen des zunehmenden Leerstands und sinkenden Mieten Ausfälle von bis zu 800 Milliarden Dollar.
Schuld ist der Wandel in der Arbeitswelt nach der Corona-Pandemie: Weil immer mehr Menschen weltweit mobil arbeiten und dafür seltener ins Büro kommen, stehen immer mehr Flächen leer. Die sinkende Nachfrage drückt auf die Mieten und den Wert der Immobilien in allen neun Städten, deren Entwicklung McKinsey analysiert hat, darunter New York, Peking, London und München.
Der drohende Wertverlust von 800 Milliarden Dollar stellt dabei nur das moderate Szenario dar, das die Berater modelliert haben: Dabei sinkt die Bewertung der Bürotürme bis 2030 um durchschnittlich 26 Prozent im Vergleich zu 2019. Schlimmstenfalls könnte es aber auch einen Einbruch um bis zu 42 Prozent geben, wenn in allen Branchen die Angestellten im gleichen Maße dem Büro fernbleiben, wie es bereits jetzt in großen Tech-Konzernen der Fall ist.
Der Wertverlust könne zudem „noch größer ausfallen, falls er von steigenden Zinsen verstärkt wird“, schreibt McKinsey. Oder „wenn notleidende Finanzinstitute schneller den Preis von Gebäuden senken, die ihnen gehören oder die sie finanzieren“.
Berater: Homeoffice ändert Immobilienmarkt für Jahrzehnte
In jedem Fall geht McKinsey davon aus, dass der Immobilienmarkt für Jahrzehnte nicht wieder auf das Niveau vor der Corona-Pandemie zurückkehren wird, weil sich die Arbeitswelt dauerhaft geändert hat: Im Schnitt kommen Angestellte laut der Studie 30 Prozent seltenerins Büro. Zudem sind während der Pandemie Millionen Menschen in die Vorstädte geflüchtet: Der New Yorker Stadtkern hat so rund fünf Prozent seiner Bewohner verloren, in San Francisco waren es sechs Prozent. Selbst im moderaten Szenario wird die Nachfrage nach Büroflächen daher bis 2030 um 13 Prozent niedriger liegen als 2019.
Doch der Crash fällt in vielen Städten unterschiedlich aus: Während es in San Francisco (minus 22,4 Prozent) oder New York (minus 17,6 Prozent) rasant abwärts geht, fällt der Nachfrageeinbruch in München (minus 10,5 Prozent), Paris (minus 8,2 Prozent), Tokio (minus 7,4 Prozent) und Shanghai (minus 5,9 Prozent) weniger als halb so groß aus. Das liegt zum einen an der Arbeitskultur: In Japan wird von Angestellten eine deutlich höhere Anwesenheit im Büro erwartet als etwa in Europa, wie die Umfragedaten der Studie zeigen.
Aber auch an der unterschiedlichen urbanen Struktur: In den Innenstädten von London, Dallas, New York und San Francisco herrscht eine sehr hohe Bürodichte und viele Angestellte arbeiten in Dienstleistungs- und Tech-Berufen. In europäischen und japanischen Metropolen existieren dagegen Büroflächen, Wohngebäude und Einkaufsmöglichkeiten nebeneinander. Dadurch gibt es weniger Bevölkerungsverlust und Homeoffice-Pendler.
Crash könnte Innenstädte wiederbeleben
Städte mit gemischter Innenstadtnutzung kommen mit der neuen Realität in der Arbeitswelt also spürbar besser klar. Für die Immobilienwerte in vielen europäischen Städten und Büro-Metropolen wie San Francisco oder New York könnte die Umwandlung der leeren Büroflächen daher laut McKinsey die Lösung sein: Sich bei der Planung von Quartieren, Gebäuden und Grundrissen „für Diversität, Anpassungsfähigkeit und Flexibilität statt Homogenität zu entscheiden, kann Städten helfen zu gedeihen“.
Für die Innenstädte könnte der womöglich kommende Immobiliencrash so zum Segen werden. Die Berater empfehlen für die Wiederbelebung hybride, modulare Gebäude, die sich schnell für gewerbliche oder wohnliche Zwecke umwandeln lassen sowie die Umwandlung leerer Büroflächen in Hotels, Schulen und Apartments. Die Hürden – Bebauungspläne, bestehende Mietverträge und Größenbegrenzungen – liegen allerdings hoch.
Zudem ist der Umbau von Gebäuden kein Allheilmittel: Selbst wenn alle leerstehenden Büros zu Wohnflächen umgewandelt würden, würde der Bestand an Wohngebäuden in jeder Stadt im Schnitt um weniger als drei Prozent wachsen. Für Bürobesitzer, denen ansonsten fallende Mieten und Leerstand drohen, könnte das trotzdem das kleinere Übel sein.
Dieser Text erschien zuerst bei ntv.de.