Die Platten laufen bei David Solomon derzeit nicht rund. Der 61-Jährige ist im Hauptberuf CEO der US-Bank Goldman Sachs. Nebenher legt er als DJ auf, stand immer wieder bei hochkarätigen Festivals, Events und Konzerten hinter den Plattentellern. Dieser Nebenjob brachte ihm in der Bank immer schon eine Menge Kritik ein. Doch jetzt hakt es zusätzlich bei seiner Hauptarbeit: Der Gewinn von Goldman Sachs brach zuletzt ein, was viele auch auf Solomons Geschäftsentscheidungen zurückführen.
Die auf hochvermögende Kunden spezialisierte Bank leidet – ebenso wie Morgan Stanley und andere Konkurrenten – unter dem stockenden Investmentbanking und dem mauen Handelsgeschäft. Die Zahlen für das zweite Quartal 2023 sind mager: 1,2 Mrd. Dollar Nettogewinn erwirtschaftete Goldman Sachs in diesem Zeitraum – ein Minus von 58 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum und weniger, als Analysten erwartet hatten. Schon 2022 war es schwierig: Der Nettogewinn brach für das gesamte Geschäftsjahr um 48 Prozent auf 11,3 Mrd. Dollar ein. Solomon begründete dies auch mit einem „herausfordernden wirtschaftlichen Umfeld“. In einer Pflichtmitteilung musste er Anfang des Jahres Verluste in der neuen Privatkundensparte „Platform Solutions“ in Höhe von 3 Mrd. Dollar einräumen. Dazu kamen Medienberichte über geplante Massenentlassungen. Demnach will Solomon 3200 Stellen streichen, um Kosten zu senken.
Diese Woche nun wurde bekannt, dass sich die Bank offenbar von weiteren Teilen ihres Privatkundengeschäfts trennen will, wie die „Financial Times“ meldete. Demnach prüfe das Finanzinstitut einen Verkauf des vor vier Jahren erworbenen Anlageberatungsgeschäfts für durchschnittlich verdienende Privatkunden, in dem 29 Mrd. Dollar liegen. „Im Vergleich dazu verwaltet das Wealth-Management-Geschäft von Goldman Sachs Assets von 1 Billion US-Dollar“,so ein Sprecher zu Capital.Besagte Anlageberatungs-Sparte war aus der Firma United Capital hervorgegangen, die Goldman 2019 für 750 Mio. Dollar gekauft hatte. Zuvor hatte Solomon schon das 2021 erworbene Online-Kreditgeschäft Greensky zum Verkauf angeboten. Beide Käufe waren einst Teil seiner Strategie, die Bank für normal vermögende Privatkunden zu öffnen.
Bei Anlegerinnen und Anlegern kamen Salomons Entscheidungen bislang gut an. Der Börsenkurs legte während seiner fünfjähriger Amtszeit um 46 Prozent zu. Auch das Kurs-Buch-Verhältnis (KBV) hat sich seither gut entwickelt. Es gibt an, wie der Aktienkurs relativ zum Buchwert und damit zum ausgewiesenen Eigenkapital ist. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) ist mit derzeit 13 ebenfalls günstig. Nach wie vor zählt Goldman zu den weltweiten Marktführern im Investmentbanking.
Trotzdem wächst der Druck auf den US-Amerikaner. Seit 2018 sitzt er auf dem höchsten Posten von Goldman. Seither – so die Lesart seiner Kritiker – haben seine Entscheidungen dazu geführt, dass es bei der Bank eher abwärts als aufwärts geht. Die Kritik an ihm sei vielfach persönlich motiviert und eine Kampagne, sagte ein Goldman-Sprecher zu Capital und verweist darauf, dass es für Investmentbanken generell schwierige Zeiten seien.
Deal mit Apple
Im Zuge seiner Bemühungen, aus Goldman Sachs eine Bank für den Massenmarkt zu machen, konnte Solomon immer wieder medienwirksame Partnerschaften verkünden. Seit 2019 kooperiert Goldman mit Apple, gemeinsam brachten sie damals die Kreditkarte Apple Card heraus. Im April dieses Jahres verkündeten die Partner dann, auch noch ein hochverzinstes Sparkonto auf dem US-Markt anzubieten. Das Angebot gilt nur für Nutzer der Apple Card. Sie können sich seither Jahreszinsen in Höhe von 4,15 Prozent sichern. Schon kurz nach der Einführung gab es allerdings die ersten Probleme. Kunden konnten zeitweise nicht auf ihr Geld zugreifen, wofür Apple-Chef Tim Cook gegenüber dem Fernsehsender ABC vertiefte Sicherheitsprüfungen durch Goldman Sachs verantwortlich machte.
Solomon wiederum versuchte nach Informationen des Businessportals „The Information“, aus der Apple-Card-Partnerschaft auszusteigen, weil das Geschäft für Goldman in naher Zukunft nicht profitabel genug sein soll. Die Chancen für einen Ausstieg allerdings stehen demnach aus rechtlicher Sicht schlecht – was den Frust bei Goldman und die interne Kritik an Solomon wachsen lasse. Die Reißleine zog der CEO indes bei der eigenen Online-Bank Marcus, deren Ausbau noch unter seinem Vorgänger verfolgt wurde. Einen Teil schrieb Goldman mit 470 Mio. Dollar ab, den anderen verkaufte es für 100 Mio. Dollar.
Mit dem Privatjet zum DJ-Auftritt
Abseits seiner Entscheidungen für das strategische Bankgeschäft stehen auch seine persönlichen Führungsqualitäten unter kritischer Beobachtung. Solomon soll den Firmenjet häufig privat genutzt haben, was laut Magazin „Business Insider“ innerhalb der Bank kritisiert wurde. Goldman verweist darauf, dass Solomon sämtliche Kosten der privaten Flugzeug-Nutzung erstatte. Wie hoch diese Zahlungen ausfallen, veröffentlicht Goldman nicht.
Den Firmenjet nahm Solomon auch einmal, um zu seinem Nebenjob zu fliegen, wie „Business Insider“ berichtet. Vergangenes Jahr sei er nach einem geschäftlichen Termin nach Chicago zum Lollapalooza-Festival geflogen, wo er als DJ zusammen mit Ryan Tedder von der Band One Republic auftrat. Nach seinem Auftritt postete Solomon ein Video davon bei Instagram.
Der Vorstand von Goldman kritisierte demnach schon früh Solomons Nebenjob und hatte ihm dies auch mitgeteilt. 2020 ermittelten New Yorker Behörden wegen einer Promi-Veranstaltung in den Hamptons, bei der „D-Sol“ alias David Solomon aufgetreten war – inmitten der Hochphase der Coronapandemie. Goldman Sachs teilte damals dazu mit, Solomon sei „verstört“, dass einige Gäste die Regeln verletzt und „sich und andere einem Risiko ausgesetzt haben“.
„David hat nie viel Zeit auf seine Musik verwendet“, sagte Unternehmenssprecher Tony Fratto diesen Juni dem Newsportal „Puck“. „Wir haben tausendmal gesagt, dass es ein Hobby ist, das er gelegentlich nebenbei betreibt und das er seit etwa einem Jahr nicht mehr gemacht hat. Die Medien bringen es zur Sprache, und das ist ein Ablenkungsmanöver.“ Es bedeute nicht, dass Solomon deshalb von seiner Arbeit fern bleibe. „Das ist einfach nicht wahr.“
Die vielfältige Kritik geht an Solomon nicht spurlos vorbei. Im Februar sah er sich gezwungen, öffentlich Fehler einzuräumen: „Es gab klare Erfolge, aber auch einige eindeutige Misserfolge“, sagte er laut „Handelsblatt“ beim Investorentag in New York, auf dem er die Zukunftsstrategie der Bank präsentieren wollte. Bei vielen Anlegerinnen und Anlegerin drang er damit aber scheinbar nicht durch. Sie stellten demnach immer wieder Nachfragen zur Zukunft des Privatkundengeschäfts. „Ich weiß, jeder will Antworten, aber wie schon gesagt, ich habe keine weiteren Details“, sagte er und zog damit Gelächter im Saal auf sich. Drei Jahre zuvor hatte er den Investoren das Privatkundengeschäft noch als Erfolgsstrategie verkauft.
Mehrere Mitarbeiter und Topmanager haben die Bank inzwischen verlassen. Anfang August kündigte Chef-Rohstoffanalyst Jeff Currie. Kurz darauf teilte Goldman mit, dass sich Stabschef John Rogers künftig anderen Aufgaben in der Bank widmen will. Davor waren bereits die Top-Leute Julian Salisbury und Dina Powell gegangen.
Es gab und gibt aber auch Analysten, die Solomons Strategie loben. Sie sei wohldurchdacht, sagte im Herbst Art Hogan, Marktstratege bei B. Riley Wealth. Damals gab Solomon den Umbau der Bank bekannt. Künftig will Goldman Sachs wieder stärker aufs Investmentbanking und den Aktienhandel setzen und auf seine Kernkompetenz: sehr wohlhabende Kunden zu werben und ihr Vermögen zu verwalten.