Exklusiv Erstes deutsches Fintech erreicht Massenmarkt

Weltsparen hat bei gut 60.000 Kunden inzwischen mehr als 2 Mrd. Euro eingesammelt.

Erstmals überhaupt scheint ein deutsches Geldanlage-Fintech den Durchbruch zum Massenmarkt zu schaffen. „Wir haben kurz vor Jahresfrist die Zwei-Milliarden-Euro-Marke geknackt“, sagte Tamaz Georgadze, Chef des 2013 gegründeten Start-ups Raisin, im Interview mit Capital. Die Berliner Firma ist spezialisiert auf die Vermittlung von Festgeldern – und besser bekannt unter ihrem Markennamen „Weltsparen.de“. Allein 2016 habe man neue Spareinlagen im Umfang von rund 1,2 Mrd. Euro transferiert, berichtete Georgadze. Insgesamt zähle Raisin inzwischen mehr als 60.000 Kunden.

Das Geschäftsmodell von Weltsparen basiert auf dem Transfer von Tages- und Festgeldern deutscher Sparer an Banken beispielsweise in Italien, Portugal, Bulgarien oder Polen. Hintergrund: Die dortigen Finanzinstitute bieten höhere Zinsen als Banken und Sparkassen hierzulande. So gibt es beispielweise bei der italienischen Banca Sistema für fünfjähriges Festgeld 2,7 Prozent – während Zinsjäger bei deutschen Banken für dieselbe Laufzeit allenfalls auf 1,1 bis 1,3 Prozent kommen.

Verbraucherschützer sehen Weltsparen allerdings kritisch. Denn bei vielen der mittlerweile 27 gelisteten Banken ist die Bonität nur schwer einschätzbar. Georgadze verweist in diesem Zusammenhang darauf, dass die europäische Einlagensicherung bis 100.000 Euro auch für diese Banken gilt. Dagegen sagt Annabel Oelmann von der Verbraucherzentrale Bremen: „Wer auf Nummer sicher gehen will, sollte eine Bank wählen, die der gesetzlichen deutschen Einlagensicherung unterliegt – beziehungsweise sogar einem Sicherungssystem angehört, das darüber noch hinausgeht.“

Weltsparen profitiert von Zinsjagd deutscher Kunden

Die Kunden scheinen diese Bedenken nicht zu teilen. Wie weit Weltsparen andere deutsche Fintechs mittlerweile abhängt, zeigt sich daran, dass die stark gehypten Robo-Advisor – gemeint sind Anbieter für computerbasierte Vermögensanlage – nach Angaben von Branchenkennern allenfalls auf eine vierstellige Kundenzahl kommen. Mit harten Zahlen traute sich zuletzt ohnehin nur ein Robo-Fintech an die Öffentlichkeit, nämlich die in München beheimatete Scalable Capital. Die kam Mitte Dezember nach eigenen Angaben erstmals auf ein verwaltetes Vermögen von mehr als 100 Mio. Euro, also nur ein Zwanzigstel der Summe von Weltsparen.

Die Erfahrungen, die viele Banken in der Vergangenheit machten, wiederholt sich damit offenbar bei den Fintechs: Viele deutsche Kunden ziehen die Zinsjagd bei Tages- und Festgeldkonten der klassischen Vermögensanlage über Aktien und Anleihen vor. Davon profitieren neben Weltsparen auch zwei weitere Einlagenvermittler: Die Hamburger Firma Deposit Solutions („Zinspilot.de“) kommt mittlerweile auf 1,4 Mrd. Euro, der Berliner Anbieter Savedo auf gut 300 Mio. Euro.

Vor einem Jahr hatte Capital in einer großen Analyse die Ansätze vieler deutscher Finanz-Start-ups kritisch hinterfragt – dabei allerdings Weltsparen als „Endkunden-Fintech mit dem klarsten Geschäftsmodell“ explizit von dieser skeptischen Einschätzung ausgenommen. Tatsächlich scheint sich bei der Berliner Firma allmählich ein profitabler Business Case herauszuschälen. Von den 27 Partnerbanken erhält Weltsparen für die Vermittlung der Einlagen eine Provision, die nach Angaben von Marktkennern bei etwa 0,2 Prozent liegen pro Jahr dürfte. Zwar dürfte der Bestand etwas unter den insgesamt vermittelten 2 Mrd. Euro liegen – nämlich bei etwa 1,7 Mrd. Euro. Doch auch daraus ergeben sich immerhin schon Provisionen von grob geschätzt 3,5 Mio. Euro jährlich.

2019 erstmals schwarze Zahlen

Die bei Fintechs meist überschaubare Belegschaft – Weltsparen beschäftigt momentan 67 Mitarbeiter – lässt sich damit schon fast aus dem laufenden Geschäft finanzieren. Den deutlich größeren Kostenblock dürften allerdings die Marketingausgaben ausmachen. So fährt Weltsparen unter anderem eine finanziell aufwendige TV-Kampagne mit „Tatort“-Schauspieler Miroslav Nemec. Die dadurch anfallenden Verluste werden bislang mit Risikokapital getilgt. Seit der Gründung 2013 hat das Start-up insgesamt rund 30 Mio. Euro bei Investoren eingeworben, davon allein 20 Mio. Euro bei der bis dato jüngsten Finanzierungsrunde im August 2015.

Der letzte im Bundesanzeiger einsehbare Geschäftsbericht stammt von 2014 und ist daher wenig aussagekräftig; damals erlitt das Unternehmen einen Jahresfehlbetrag von 2,2 Mio. Euro. Aktuellere Zahlen? Dazu sagt Georgadze nichts – ebenso wenig wie zur Höhe der von den Auslandsbanken erhobenen Provisionen. Dafür traut sich der frühere Unternehmensberater mit einer konkreten Ansage für die weitere Geschäftsentwicklung aus der Deckung: „Ich denke, dass wir 2019 schwarze Zahlen schreiben werden. Dafür muss der Bestand bei etwas 4 bis 5 Mrd. Euro liegen.“

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