Warum wurde SBF jetzt festgenommen?
Nachdem die Kryptobörse FTX Anfang November ins Taumeln geraten war und schwerwiegende Vorwürfe gegen Gründer und CEO Sam Bankman-Fried (kurz SBF) laut wurden, ist der 30-Jährige am Montagabend schließlich festgenommen worden. Die Royal Bahamas Police Force verhaftete SBF in seinem Apartmentkomplex in einem Luxusresort westlich von Nassau, der Hauptstadt der Bahamas. Nach Regierungsangaben war ausschlaggebend, dass die Vereinigten Staaten den Inselstaat formal benachrichtigt hatten, dass gegen SBF Anklage erhoben worden sei und seine Auslieferung in Kürze beantragt werden würde. Am Dienstag bestätigten gleich drei US-Behörden, Klagen gegen SBF eingereicht zu haben: die Wertpapieraufsicht SEC, die Commodity Futures Trading Commission sowie das Büro des US-Generalstaatsanwalts für den südlichen Bezirk von New York. Auch auf den Bahamas wurde gegen SBF ermittelt. Der Gründer befindet sich nun in Auslieferungshaft auf der Polizeistation Cable Beach in der Nähe der Hauptstadt Nassau und soll am heutigen Dienstag vor einem Richter erscheinen.
Was wird ihm vorgeworfen?
Die Zivilklage der SEC wirft SBF einen „massiven, jahrelangen Betrug“ vor. Mindestens seit Mai 2019 habe SBF Investoren in FTX und seine weiteren Unternehmen getäuscht. Geldgeber wie Softbank, Temasek und Tiger Global hatten 1,8 Mrd. Dollar in das Start-up gesteckt – die Anteile sind seit dem Insolvenzantrag im November nun wertlos. Auch die FTX-Kunden seien getäuscht worden, sie hätten „geglaubt, dass ihre Gelder auf der FTX-Handelsplattform sicher“ seien. „Doch von Beginn an lenkte Bankman-Fried Kundengelder zu seinem privaten Krypto-Hedgefonds Alameda“, heißt es in dem SEC-Schriftsatz. Mit dem Geld habe SBF „VC-Investments und verschwenderische Immobiliendeals getätigt sowie großzügige Spenden an Politiker finanziert“. Entgegen seiner Behauptungen habe FTX weder ein funktionierendes Risikomanagement besessen noch habe die Börse Alameda wie alle anderen Kunden behandelt – stattdessen sei der Hedgefonds von den existierenden Risikoprozessen ausgenommen gewesen und habe Zugang zu einer praktisch unbegrenzten Kreditlinie gehabt – die die normalen FTX-Kunden finanzierten.
Die Staatsanwaltschaft hat in acht Punkten Anklage erhoben: Betrug an Kunden und Gläubigern sowie die Verabredung zum Betrug, Geldwäsche und die Verletzung von Parteispendengesetzen. Inhaltlich orientiert sich die Anklage an den Vorwürfen der SEC.
Welche Konsequenzen drohen SBF?
Sollte SBF in dem Strafprozess verurteilt werden, droht ihm eine jahrelange Haftstrafe. Ist die SEC-Klage erfolgreich, dürfte ihm ein Berufsverbot auferlegt werden – er dürfte dann kein börsennotiertes Unternehmen mehr leiten. Außerdem soll ihm untersagt werden, Wertpapiere anzubieten und er soll sein unrechtmäßig erworbenes Vermögen herausgeben.
Wie steht es sonst um FTX und um das Insolvenzverfahren? Was ist mit Kundengeldern?
Die mehr als 100 mit der Kryptobörse verbundenen Unternehmen hatten am 11. November in den USA Gläubigerschutz beantragt. An Kunden wurde seither allerdings noch kein Geld ausbezahlt. Dabei soll die Situation in einzelnen regionalen Gesellschaften – etwa in Europa oder Japan – besser aussehen als für den Rest des Geschäfts. In der FTX Europe AG seien Kundengelder beispielsweise separiert worden, heißt es von Insidern. Trotzdem bleibt unklar, wie es im Insolvenzverfahren mit diesen Vermögenswerten weitergeht. Das Deutschlandgeschäft der Europa-Gesellschaft ist mit 21.000 Kundinnen und Kunden und etwa 2 Mio. Euro an Bargeld sowie 8,4 Mio. Euro an Kryptoderivaten relativ klein. Es handelt sich allerdings um Kunden, die erst im Frühjahr 2022 zu FTX gekommen sind – damals stellte die Kryptobörse ihr Europageschäft neu auf.
Der neue CEO John J. Ray wird heute vor dem Finanzausschuss des US-Repräsentantenhauses auftreten. „In Ermangelung einer Kooperation der verantwortlichen Parteien oder eines geeigneten Systems zur Verfolgung und zum Schutz von Krypto-Vermögenswerten setzen wir unsere akribischen forensischen Bemühungen fort“, teilte er vor der Anhörung mit. Gelder des US-Geschäfts seien – entgegen der Darstellung von SBF – nicht unabhängig von dem insolventen internationalen Geschäft.
Auch der ehemalige FTX-Konkurrent und spätere Fast-Retter Binance soll Probleme haben. Worum geht es da?
Binance, die größte Kryptobörse der Welt, steht zurzeit unter Druck. In den vergangenen Stunden sind mehr als 1 Mrd. Dollar von der Plattform abgezogen worden, bestätigte der Gründer Changpeng Zhao auf Twitter. Zeitweise sei es nicht möglich gewesen, den wichtigen Stablecoin USDC abzuziehen, heißt es. Zudem ist Binance laut der Nachrichtenagentur Reuters im Visier von amerikanischen Ermittlungsbehörden, unter anderem geht es um Geldwäsche und Verstöße gegen US-Sanktionen. Doch bei den Strafverfolgern herrsche Uneinigkeit, ob man „aggressiv“ gegen Binance und sein Führungspersonal vorgehen – oder weiter Beweise sammeln solle.