Wer es einmal getan hat, wird es wieder tun und dabei immer besser werden: das eigene Gehalt durch Verhandlung zu erhöhen. Letztlich ist es Übungs- und vor allem eine Einstellungssache. Mit Gehaltsverhandlungen tun wir Deutschen uns nachgewiesenermaßen schwer. Unsere Schweigekultur, über Geld nicht zu sprechen, befördert das sicherlich, aber nicht nur. Wir schaden uns damit selbst. Vor allem schadet es Frauen.
Eine Umfrage von Weltsparen unter 2.100 Frauen und Männern ergab 2022, dass bei Gehaltsverhandlungen noch viel Luft nach oben ist. 41 Prozent der befragten Frauen haben noch nie ihr Gehalt verhandelt. Bei den Männern waren es 35 Prozent. Deprimierend: Von den Frauen, die ihr Gehalt verhandeln, haben 28 Prozent noch nie eine Gehaltserhöhung durchsetzen können. Das aber ist kein Grund, achselzuckend zu sagen: „Frauen können es einfach nicht.“ Oder: „So ist es eben.“ Ist es nicht! Es ist eine Entwicklung.
Frauen waren durch die lange Geschichte der finanziellen Entmündigung von Lohnarbeit ausgeschlossen. Sie haben unentgeltlich arbeiten müssen. Es braucht Zeit, das Selbstverständnis zu entwickeln, für geleistete Arbeit Geld zu verlangen. Dass es sich lohnt, für mehr Geld einzutreten, veranschaulicht die Grafik. Beispielhaft jedes Jahr 10 Prozent mehr an Gehalt bedeutet ein Lohnplus innerhalb von drei Jahren von 827 Euro brutto. Mehr Lohn bedeutet höhere Rentenansprüche, mehr Arbeitslosen- oder Elterngeld und generell mehr finanzielle Spielräume und Unabhängigkeit.
Kenne deinen Selbstwert und Marktwert
Um in Gehaltsverhandlungen erfolgreich zu sein, sind drei Dinge entscheidend: Der Selbstwert, eine fundierte Vorbereitung und Übung. Wobei ich den Selbstwert für die treibende Kraft halte.
Wie wir unseren Wert entdecken und vertreten, darüber hat Susan J. Moldenhauer mit ihrem Buch „Kenne deinen Wert – der Gehaltsratgeber für Frauen“ eine abwechslungsreiche Anleitung geschrieben, veranschaulicht mit Beispielen aus ihrer Beratungspraxis. Die gelernte Finanzwirtin und langjährige Karriereberaterin Moldenhauer zeigt darin: Jede Frau kann lernen, das Gehalt durchzusetzen, das sie verdient. Wobei der Gehaltsratgeber nicht nur für Frauen zum Ziel führt!
Nur, wer den eigenen Wert kennt, fordert ihn auch ein und kann ihn mit Argumenten vertreten, ist die zentrale Aussage des Buches. Und: Nur wer fragt, erhält Antworten. Sprich: mehr Geld.
Der eigene Wert setzt sich aus dem Selbstwert und dem Marktwert zusammen. Der Marktwert ist das, was ein Unternehmen bereit wäre, für Fähigkeiten, Erfahrungen, fachliche und soziale Kenntnisse zu zahlen. Das können wir durch Bewerbungen auf andere Stellen recherchieren, durch Gespräche mit Kolleg:innen oder über Vergleichsportale erfahren. Aus dem Marktwert entwickelt sich das Bewusstsein für den eigenen Wert im beruflichen Umfeld.
„Ich bin es wert“: Den Satz öfter laut aussprechen
„Ich bin es wert, das Geld zu verdienen, das ich verdiene.“ Lassen Sie diesen Satz zu und sagen ihn sich ruhig öfter mal laut vor: „Ich bin es wert.“ Gleich jetzt. „Ich bin es wert.“ Zu dieser stärkenden Haltung gelangen wir, indem wir unsere Einstellungen zum Geld hinterfragen, welche Geldglaubenssätze uns unbewusst leiten und womöglich klein halten. Und auch, wie wir uns selbst sehen, was wir uns erlauben und zutrauen – oder nicht. Auch wie wir Autoritäten wahrnehmen, ob übermächtig oder als Partner, spielt eine große Rolle für Verhandlungen jeder Art.
Besonders wertvoll im beruflichen Kontext ist das Erfassen von Leistungen, Kenntnissen und Erfolgen. Das macht Freude und führt vor Augen, was Sie alles können und bewegt haben. Nehmen Sie dafür ein Blatt Papier und schreiben alles auf, was Sie fachlich (besonders gut) können, welche Projekte erfolgreich verliefen, welche Fortbildungen Sie abgeschlossen und was Sie dabei gelernt haben. Diese Seite heften Sie in Ihren Berufsordner und ergänzen sie regelmäßig. Oder Sie notieren auf Ihrer Pinnwand im Büro Ihre „Hall-of-Best-Projects“. Oder legen extra eine hübsche Erfolgskladde an. All das stärkt den Selbstwert und ist eine perfekte Vorbereitung für eine Gehaltsverhandlung. Probieren Sie es aus!
Lohn für Arbeit ist Wertschätzung und Dankbarkeit
Sie wollen als Mensch nicht in Geldeinheiten bewertet werden? Werden Sie nicht. Sie werden als Fachkraft bewertet. Geld ist ausgedrückte Wertschätzung und Dankbarkeit für das, was wir Arbeitgeber:innen, anderen Menschen und der Allgemeinheit geben.
Stimmt die Haltung und ist der Marktwert ermittelt, ist der nächste Schritt die fundierte Vorbereitung auf die Gehaltsverhandlung. Der Rest ist Übung. Nicht einmal, nicht zweimal, sondern regelmäßig.