Es gibt Dinge, die die Welt nicht braucht. Das Windows-Phone zum Beispiel, das Format Video 2000 oder das mobile TV-Signal DVB-T. Diese Innovationen wurden alle mit großem Brimborium angekündigt, fielen jedoch gnadenlos bei den Kunden durch. Den Rohrkrepierern ist gemein: Sie bieten den Konsumenten keinen neuen Nutzen, kommen zu spät auf den Markt und können die Dienstleistungsfülle und Marktanteile der etablierten Konkurrenz nicht mehr erreichen. Der digitale Euro wird sich nahtlos in die Reihe dieser Technik-Flops einreihen.
Mit dem digitalen Euro soll privaten Haushalten und Unternehmen (vermutlich ab 2026) die Möglichkeit gegeben werden, ein Konto direkt bei der Zentralbank zu führen. Diese EZB-Konten für jedermann können ähnlich wie die Konten bei Geschäftsbanken mit Karten oder per App als Zahlungsmittel eingesetzt werden. Der einzige Unterschied zu den Konten bei privaten Geschäftsbanken: Die Kunden haben einen Anspruch auf ihr Guthaben direkt bei der Zentralbank. Da die Zentralbanken nicht insolvent werden können, eine normale Geschäftsbank aber schon, wäre der digitale Euro so sicher wie Bargeld.
Sicherheit ist nur vorgegaukelt
Das Argument der sicheren Einlagen ist für den normalen Bankkunden praktisch nicht von Bedeutung. Durch die staatliche Einlagensicherung sind Guthaben bis zu 100.000 Euro bereits abgesichert. Für vermögende Privathaushalte und Unternehmen bietet ein Notenbankkonto für höhere Einlagen eine marginal höhere Sicherheit, da die Guthaben bei Banken im Falle von Schieflagen teilweise auf dem Spiel stehen. Bankenpleiten sind jedoch äußerst selten (Banken verfügen häufig über ein Rating im A-Bereich) und im Worst Case retten regelmäßig Staaten oder befreundete Banken aus dem gleichen Sektor (Sparkassen; Volksbanken) die von einer Insolvenz bedrohte Bank (Bail-out).
Die höhere Sicherheit ist deshalb nur vorgegaukelt. Im Gegenteil: Ein breiter und schneller Zugang zu EZB-Konten würde zu massiven Unsicherheiten im Finanzsystem führen und Bankenkrisen in Zukunft verschärfen. Im Falle von drohenden Insolvenzen bei Banken würde es zu einer erheblichen Umschichtung der Guthaben bei Banken zu den Konten bei den Notenbanken kommen. Ein digitaler „Bank Run“ würde merklich schneller einsetzen als bisher, wo die Kunden Schlange stehen müssen, um Bargeld abzuheben. Die Liquidität der Banken wäre folglich deutlich schneller eingetrübt, die Kreditvergabefähigkeit deutlich früher eingeschränkt und die Stabilität des Finanzsystems insgesamt schneller gefährdet als jemals zuvor. Das kann nicht im Interesse einer Zentralbank sein.
EZB-Konto ist unattraktiv
Um die Stabilität des Finanzsystems nicht zu gefährden, kommt die EZB deshalb nicht umhin, die Einlagen auf einen niedrigen Betrag zu deckeln – ein Betrag von 3000 Euro ist im Gespräch. Warum sollte man ein derart mickriges Konto bei der EZB halten? Zudem dürfte ein bescheidener Gewinn an Sicherheit durch die mangelnde Qualität der Dienstleistungen mehr als kompensiert werden. Die Volkswirte im EZB-Elfenbeinturm werden sich in den nächsten Jahren kaum in kundenorientierte Finanzdienstleister verwandeln.
Mit Kreditkarten, Google Pay, Apple Pay oder Paypal gibt es bereits Zahlungssysteme, mit denen man national und international in unterschiedlichsten Währungen zahlen kann. Der digitale Euro wäre auf Zahlungen im Euroraum und in Euro begrenzt. Darüber hinaus bieten diese Zahlungsanbieter bei Bedarf auch eine Fülle an Zusatzdienstleistungen wie Konsumentenkredite, Versicherungen oder sonstige Services im Onlinehandel (z.B. kostenlose Rücksendungen) an, mit denen ein EZB-Konto nicht konkurrieren könnte. Die etablierten Anbieter von Zahlungsplattformen können ihre Dienstleistungen kostengünstig anbieten (hohe Marktanteile führen zu großen Skaleneffekten), verfügen über große Netzwerkeffekte (Dienstleistungen werden wertvoller, je mehr Kunden im Netzwerk sind) und haben über die Jahre viel Know-how und Erfahrungen im Umgang mit ihren Kunden gewonnen.
Staatliche Eingriffe in Zahlungsverkehr sind vielen suspekt
Viele Bürgern ist die Preisgabe ihrer Daten bei Zahlungsprozessen zudem sehr suspekt. Staatliche Systeme dürften dabei sogar auf eine größere Skepsis treffen als die digitalen Plattformen privater Anbieter. Viele Menschen befürchten, dass digitale Währungen ein mächtiges Einfallstor für übergriffige Staaten werden können – die Entwicklungen in China (Einführung der Central Bank Digital Currency oder kurz CBDC in 2021) werden deshalb sehr aufmerksam beobachtet.
Sobald sich eine digitale Währung etabliert hat, könnten Politiker alle anderen Zahlungsmittel abschaffen. Geld bekommt dann nur noch der, der es sich durch sein konformes Verhalten („Social Credits“) verdient hat. Das Wohlverhalten definieren Politiker – auch in Demokratien. Mit einem wirksamen Negativframing von Minderheiten („reich“, „rechts“, „unsolidarisch“) können auch Mehrheiten dazu bewegt werden, monetäre Diskriminierungen von Minderheiten abzusegnen. Viele Bürger stehen deshalb auch der Einführung des digitalen Euros sehr misstrauisch gegenüber und werden dauerhaft Bargeld bevorzugen.
Die Politik verrennt sich
Der digitale Euro wird sich nicht durchsetzen. Die Sprechblasen von Politikern wie Christian Lindner („Innovationssprung“, „Wachstumsmotor“, „Stabilitätsanker“) können nicht darüber hinwegtäuschen, dass ein digitaler Euro der privaten Konkurrenz deutlich unterlegen sein wird. Die Überzeugung der Verantwortlichen, man könne mit staatlichen Me-too-Produkten den vorausgeeilten Big-Techunternehmen Paroli bieten, zeugt von großer Hybris und mangelndem Wirtschaftssachverstand. Ein Scheitern des digitalen Euro wird den Reputationsverlust der EZB weiter verstärken.